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Hinweise zur Kultivierung mariner Mikroalgen


links oben: Isochrysis

links unten: Tetraselmis

Mitte groß: Chaetoceros

rechts groß: Nannochloropsis


 

Diese Hinweise erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit und ergeben sich aus meinen persönlichen Erfahrungen bei der Kultivierung von Mikroalgen. Es gibt zahlreiche andere Methoden, die zum Erfolg führen können! Nichts ersetzt die persönliche Erfahrung, und wenn ihr eine Methode habt, wie es bei euch klappt, dann ist das toll! Die kann am Ende ganz anders aussehen, als das, was ich hier beschreibe! Habt Mut, eigene Ideen umzusetzen, lest Literatur, tauscht euch aus. Den einen goldenen Weg gibt es nicht!

 

Allgemeine Hinweise:

 

-          Sauberes Arbeiten: legt euch für jede Alge, die ihr kultivieren wollt, ein eigens Set an Bechern, Gläsern etc. an und markiert diese farblich. Sonst werdet ihr früher oder später versehentlich den Nannochloropsis Becher für eure Isochrysis oder Tetraselmis benutzen, und das war’s dann.

 

-          Desinfiziert alles bevor und nachdem ihr es benutzt habt. Wir nutzen dazu 70% Isopropanol, aber es gehen natürlich auch andere Desinfektionsmittel. Spült die Sachen mit Aqua-Dest nach, damit ihr keine Reinigungsmittel in die Mikrolagen bekommt.

 

-          Seid geduldig und beobachtet eure Kulturen: mit der Zeit bekommt man ein Gefühl dafür, ob es den Kulturen gut geht und ob und wie sie wachsen. Die Technik und das Protokoll das bei jedem funktioniert, gibt es nicht. Akzeptiert Rückschläge! Ich habe z.B. lange gebraucht, bis Isochrysis stabil gewachsen ist und mir sind zahlreiche Kulturen zusammengebrochen. Die Fehlersuche ist dabei häufig schwierig, v.a. wenn man kein Mikroskop oder andere Hilfsmittel hat.

 

Photobioreaktor (PBR):

 

Das Herzstück jeder Algenproduktion ist der Photobioreaktor.

 

Photo: wir nutzen Licht um Mikroalgen zu züchten

Bio: es sind Lebewesen, die mit Hilfe von Nährstoffen, Wasser, Kohlenstoffdioxid und Licht organische Moleküle und Strukturen (Biomasse) aufbauen

Reaktor: das Gefäß, in dem die Reaktion, also der Stoffwechsel, stattfindet

 

Es gibt unzählige Varianten von PBR, und jede hat ihre spezifischen Vor- und Nachteile. Wir arbeiten mit vertikalen Acrylglas-Rohren mit 90-200 mm Durchmesser und einem Inhalt von 3 bis 55 Litern.

Gerade bei den anspruchsvolleren Mikroalgen, das sind z.B. begeißelte Algen wie Tetraselmis, Isochrysis und Rhodomonas, ist ein Konus am Boden des Reaktors wichtig. Bei einem flachen Boden bilden sich i.d.R. sehr schnell Biofilm und andere Ablagerungen was zum kippen der Kultur führen kann. Da es solche Reaktoren nicht von der Stange gibt ist das für viele Hobby-Züchter ein Problem. Aber keine Angst: erstens arbeitet Aquacopa z.Zt. daran, kleine PBR für Züchter zu entwickeln und zweitens kann es auch in Reaktoren mit flachem Boden gelingen.

 

Licht

Wir arbeiten mit kaltweißem oder Neutral-weißem Licht (zwischen 4000 und 6500 K) und nutzen, vor allem aus Kostengründen (Strom!), LEDs. Der Beleuchtungszyklus orientiert sich am Tagesverlauf, das heißt, wir beleuchten meisten 14 Stunden und lassen die Lampen für 10 Stunden aus. Tageslicht ist, nach meiner Erfahrung, immer besser als jedes künstliche Licht. Hier kann aber u.U. die Temperatur im Sommer ein Problem werden, da sich die Kulturen bei direkter Sonneneinstrahlung stark erwärmen. Versuche auf der Fensterbank oder im Wintergarten können sich aber lohnen und sparen Stromkosten!

 

Belüftung

Um einer Sedimentation der Algen entgegen zu wirken müssen diese in Schwebe gehalten werden, was i.d.R. am besten mit einer Belüftung von unten funktioniert. Mikroalgen besitzen zwar die Fähigkeiten, sich über Vakuolen in den Zellen aufsteigen oder absinken zu lassen (ähnlich wie ein U-Boot), in Abhängigkeit der Art lagern sich Mikroalgen aber auch rasch ab, wie z.B. Tetraselmis, die sich innerhalb von Stunden am Boden ablagert. Meistens ist eine grob-perlige Belüftung angemessen, auf einen Sprudelstein kann/sollte i.d.R. verzichtet werden. Ich habe aber auch schon mit einem sehr feinen Blasenbild aus einem Sprudelstein gute Erfahrungen gemacht: auch hier gilt, einfach mal verschiedene Methoden testen. Einige begeißelte Algen, wie Isochyrisis, sind jedoch empfindlich gegenüber Scherkräften, also stärken mechanischen Belastungen. Isochrysis belüften wir nur mäßig stark, Nannochloropsis hingegen kann stark belüftet werden.

Die Belüftung ist auch notwendig, um einen kontinuierlichen Gasaustausch zu ermöglichen: wenn die Algen wachsen verbrauchen sie CO2 und bilden O2, das bedeutet, dass Sauerstoff ausgetragen werden muss und CO2 zugeführt. Am einfachsten ist das über die Belüftung der Kultur.

Randnotiz: hier gibt es abgefahrene Biotechnologische Techniken, die z.B. über eine semipermeable Membran einen passiven Gradienten von einer angereicherten CO2-Phase in die Algenkulturen ermöglichen. Aber getreu dem Motto: keep it simple! Ist das hier nicht weiter von Interesse!

Das wichtigste bei der Belüftung ist, dass die Luft steril filtriert wird, bevor sie durch die Kultur läuft. Die Luft ist voll mit Sporen, Bakterien, Viren und Feinstaub: das sind alles Sachen, die nicht in die Kultur gelangen sollten. Deswegen sollten man einen Luftfilter vorschalten, der alle Partikel größer 0,45 µm zurückhält. Um die Lebensdauer dieser Feinfilter zu erhöhen kann man noch einen Vorfilter einsetzen. Wir benutzen dazu einfach Filterwatte, die wir vorschalten (Eigenbau).

 

CO2 (Kohlenstoffdioxid)

Photoautotrophe Mikroalgen benötigen anorganischen Kohlenstoff in Form von CO2 zum Wachsen. Kohlenstoff (anorganisch) liegt in verschiedenen Formen im medium vor: zum einen als freie Kohlensäure (H2CO3) oder in Form von anderen Carbonaten (HCO3 und/oder CO3). Das ist chemisch hier nicht ganz korrekt ausgedrückt bzw. stark vereinfacht, wer das besser verstehen will sollte sich in das Thema „Kalk-Kohlensäure-Gleichgewicht“ einlesen. Bei steigendem pH-Wert sinkt der Anteil des freien CO2 und es kommt zur Verschiebung Richtung des Hydrogencarbonats bzw. im stark basischen zum Carbonat. Ich habe hier eine Zeit lang mit technischem CO2 gearbeitet und Kulturen sind produktiver, wenn man mit technischem CO2 zu düngt UND alle anderen Parameter auch stimmen! Zusätzliches Kohlendioxid bringt nichts, wenn ein anderer Nährstoff limitierend ist. Eine zusätzliche CO2-Düngung solltet ihr nur in Betracht ziehen, wenn ihr die Möglichkeiten habt, sowohl Nährstoffe als auch pH-Wert in der Kultur sauber zu analysieren.

 

Dünger

Der Dünger enthält, bis auf den Kohlenstoff, alle Makro- und Mikroelemente die Algen zum Wachsen benötigen. Für marine Mikroalgen gibt es zwei Dünger mit denen fast alle Arten kultiviert werden können: den Dünger nach Guillard, auch F/2 genannt, und den Dünger nach Walnes. Der Walnes Dünger wird meist für begeißelte Algen wie Tetraselmis, Isochrysis und Rhodomonas empfohlen. Wir kultivieren aber z.B. Tetraselmis schon lange und erfolgreich mit dem F/2 Dünger. Der Hinweis zur Dosierung (1 mL/L) ist nur als Richtwert zu verstehen: nichts ersetzt eine gute Beobachtung und Kontrolle, und wenn eure Kulturen nicht wachsen wollen kann das daran liegen, das entweder zu viel oder zu wenig Dünger in der Kultur ist! Abhilfe schaffen da Nitrat-Messstreifen. Bei einer Dosierung von 1 mL Dünger auf 1 L Medium sollte der Nitrat Wert zwischen 70-80 mg/L liegen. Abweichungen nach oben oder untern sind nicht dramatisch, keine Angst. Auch Werte von 50 mg/L oder 90 mg/L können noch geeignet sein, eure Algen gut wachsen zu lassen. Das Wachstum der Algen kann stark variieren, woran das im Einzelnen liegt, lässt sich oft nicht feststellen, aber eine regelmäßige Kontrolle des Nitrats kann zumindest die Fehlerquelle einer Über- oder Unterdosierung ausschließen. Ist der Nitratwert zu hoch könnt ihr die Kultur splitten und/oder verdünnen. Ist er zu niedrig, dosiert vorsichtig Dünger nach. Wenn die Algen die sogenannte Plateau-Phase, also den Zustand einer (fast) maximalen Dichte erreicht haben, sollte Nitrat im besten Fall nicht mehr nachweisbar sein.  Etwas Rest-Nitrat (< 5 mg/L) ist aber i.d.R. unproblematisch.

 

Es kam schon öfter die Frage der Haltbarkeit des Düngers auf, deswegen möchte ich darauf kurz eingehen: wir verwenden den gleichen Dünger, den wir auch verkaufen. Der Dünger wird von uns wöchentlich frisch angesetzt, ich weiß aber nicht genau, wie lange der sich, einmal gelöst, in den Flaschen hält bzw. ob der an Wirksamkeit verliert. Wir haben dazu Tests mit älterem Dünger gemacht und konnten auch nach 4 Wochen keine nachlassende Wirkung entdecken. Es ist trotzdem immer besser, den Dünger frisch anzusetzen, deshalb arbeiten wir aktuell an einer Kunden-freundlichen Lösung, z.B. Dünger in Tabletten-Form aus dem Blister. Basierend auf unseren Erfahrungen würde ich einen Verbrauch innerhalb von 4 Wochen empfehlen, aber der Dünger kann auch nach 6 Monaten noch wirksam sein. Das hängt auch wieder von vielen Faktoren, wie der Art der kultivierten Alge, der Temperatur, dem Wasser usw. ab.

 

Salinität

Wir kultivieren alle unsere Mikroalgen bei 30 bis 35 ppt, also 3 bis 3,5 % Salzgehalt. Leichte Schwankungen vertragen die Algen recht gut. Laut Literatur ist es auch möglich, viele Arten bei niedrigerer Salinität bis zu 20 ppt zu kultivieren. Solltet ihr das vorhaben empfehle ich aber, die Salinität langsam und schrittweise zu senken.

 

Temperatur

Wir züchten das Plankton bei Temperaturen zwischen 18-22°C. Höhere Temperaturen führen zwar i.d.R. dazu, dass die Algen schneller wachsen, können aber auch unerwünschtes Wachstum von Bakterien fördern, und da die sich noch viel schneller vermehren kann das zu unerwünschten Nebeneffekten führen.

 

Ernte, kontinuierlich, semi-kontinuierlich und batch

 

Die theoretischen maximalen Wachstumsraten von einigen Algenarten sind extrem hoch: Algen können deutlich schneller wachsen und Biomasse bilden als Landpflanzen. In der Realität sind die Wachstumsraten aber häufig geringer und die Algenbiomasse verdoppelt sich nicht innerhalb von 24 Stunden. Wann sollte man ernten und wieviel? Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten und hängt, wie so oft, von vielen Parametern ab. Wir ernten i.d.R. immer nur maximal 40 % der Kultur, meistens nur 30 %. Vor der Ernte prüfen wir die Kultur auf Dichte (optischer Eindruck der Kultur, Mikroskop) und auf Rest-Dünger. Die Kultur sollte natürlich den Dünger komplett verbraucht haben. Solltet ihr noch mehr als 10 mg/L Nitrat messen kann es sinnvoll sein, die Kultur noch weiter wachsen zu lassen oder zu splitten und etwas zu verdünnen. Wenn ihr zu viel erntet, also mehr als 40 %, dauert es meiner Erfahrung nach oft länger, bis die Kultur wieder in die sogenannte logarithmische- Phase kommt, also den Zustand, wo sich die Kultur schnell vermehrt.

Also lieber weniger entnehmen, dafür aber öfter. Diese Methode wird als semi-kontinuierlich bezeichnet. In einem kontinuierlichen Verfahren wird hingegen ständig Biomasse entnommen bzw. nach definierten Grenzwerten geerntet. Diese Verfahren können pro Zeit sehr hohe Erträge liefern, sind aber mit einem erhöhten technischem Aufwand verbunden und es ist nicht einfach, eine Kultur in einem stabilen steady-state (also einem stabilen Gleichgewicht in der Log-Phase) zu halten.

Beim batch-Verfahren wird die komplette Biomasse geerntet und das System, nach Wartung und Reinigung, neu beimpft und gestartet.

 

Fazit: bei der Kultivierung von Mikroalgen gibt es viel zu beachten, aber es ist auch kein Hexenwerk. Nannochloropsis ist relativ einfach zu kultivieren und sehr robust gegenüber Schwankungen der Umwelt. Die anderen Algen aus unserem Sortiment erfordern etwas mehr Sorgfalt, sind aber mit etwas Übung und dem richtigen Equipment gut nach zu züchten.

Beobachtet gut, arbeitet sauber und habt Geduld! Ich habe auch schon unzählige Kulturen gehabt, die aus nicht nachvollziehbaren Gründen kollabiert sind und das ist sehr frustrierend. Aber wenn ihr den Dreh raus habt, macht es Spaß und ein blubbernder, tief grüner oder gold-brauner Reaktor ist ein toller Anblick!

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Thorsten Dresen (Dienstag, 30 Juni 2020 20:15)

    Hallo, zur Haltbarkeit des F/2 Düngers kann ich nur aus eigener Erfahrung sprechen.
    Ich habe ein Fläschchen von euch am 19.10.19 geöffnet, im Kühlschrank gelagert und nutze es heute noch (mit Pausen natürlich) für meine Nannochloropsis Kultur. Alles läuft bestens.
    Liebe Grüße, Thoraten